In der Woche nach Pfingsten trafen sich traditionell alle Altersklassen zur Deutschen Jugendeinzelmeisterschaft in Willingen. Mit fast 800 Teilnehmern ist es die größte Veranstaltung der Deutschen Schachjugend. Teil der über 90-köpfigen Berliner Delegation, angeführt von Delegationsleiterin Bettina Bensch, waren auch 11 TSG-Kinder und Jugendliche – davon fünf Mädels und Jungs bei den DEMs und sechs in den offenen Turnieren.
Arian war erstmals in der U8 dabei. Er hatte sich durch einen tollen 3.Platz beim Tigersprung-RKST in Günzburg für die Deutsche qualifiziert. Obwohl der Siebenjährige noch zum jüngeren Jahrgang gehörte, war er schon unter den TOP15 gesetzt und begann mit zwei klaren Siegen. Leider hagelte es für Arian gleich drei Berliner Paarungen, in denen er zweimal die Oberhand behielt. Durch zwei Niederlagen kurzzeitig wieder ins Mittelfeld zurückgefallen, legte er einen grandiosen Endspurt hin und konnte die letzten drei Runden sämtlich gewinnen, in der Schlussrunde sogar gegen den Setzlistenzweiten mit schon 1350 DWZ. Fünf Punkte aus sieben Runden bedeuteten für Arian den Sprung auf Platz 8 sowie ein schönes DWZ-Plus. Vielleicht kann er im nächsten Jahr sogar um den Titel mitspielen.
Das beste Mädchen der IEM u8 2022 in Sebnitz, Maila Ruddat, hatte aufgrund dieser Leistung einen Freiplatz für die DEM U10w erhalten. Obwohl erst acht Jahre alt, war es für sie bereits die zweite Teilnahme in dieser Altersklasse. Nach einem Turnier mit viel Auf und Ab schließt sie dieses mit einem Sieg und 50% ab. Wenn sie bei den nächsten beiden Versuchen noch etwas mehr Konstanz in ihre Partien bekommt, ist auch von ihr Großes zu erwarten.
Der Berliner Meister u10 war natürlich auch in Willingen mit von der Partie und wollte ein Wörtchen bei der Vergabe der Podest-Plätze mitreden. Als Setzlisten-Siebenter musste Karl nach dem Pflichtsieg zum Auftakt zähneknirschend zwei Punkteteilungen in der zweiten und dritten Runde zustimmen. Danach war der Gersemann-Motor aber richtig heiß gelaufen. In den Runden vier bis sieben war er nicht zu stoppen und spielte sich mit vier Siegen in Folge an die geteilte Tabellenspitze. Absolut sehenswert sein toller Sieg gegen seinen „Erzrivalen“ Justin Fadeev (Barnimer SF) – die „Widerlegung des beschleunigten Drachen“ wäre kein allzu übertriebener Titel für diese siebte Partie. Leider kam er dann im Spitzenduell gegen den Setzlisten-Ersten Nazar Tarasenko (1915 DWZ) frühzeitig aus dem Tritt, eventuell war die Ablenkung durch die Vorverlegung der Partie und die kurzzeitige Abreise aufgrund einer traurigen familiären Verpflichtung zu viel. Im neunten Durchgang stemmte sich Karl noch einmal mit allem was er hatte gegen die drohende Niederlage gegen den starken Paul-David, Benjamin der Peglau-Schachfamilie. In den letzten beiden Runden lief aber leider gar nichts mehr zusammen, so dass auch der heißersehnte, zu WM-Teilnahme berechtigende 8.Platz nicht zu halten war. Als Zwölfter und Bester von fünf Berlinern wird Karl versuchen, sich auf anderen Wege doch noch für Sharm-El-Sheikh zu qualifizieren.
Mit seiner frisch erworbenen 2000er-DWZ wäre Bagrat im letzten Jahr noch knapp an der Top5 vorbeigeschrammt, das superstark besetzte U14-Turnier 2023 sah ihn aber „nur“ auf Platz 17 der Setzliste. Leider konnte er bei Weitem nicht an seine Form bei der DSAM in Darmstadt anknüpfen und besonders die erste Turnierhälfte wird er schnell aus seinem Gedächtnis streichen wollen und müssen. Etwas Wiedergutmachung konnte Bagrat trotz zwischenzeitlichem Fieber schon in den letzten Runden betreiben, in denen er sich nach dem Katastrophen-Start (1,5 aus 5) noch auf fünfzig Prozent hievt. Das sollte Mut machen für die kommende Saison erstmals unter TSG-Fahne.
Wenn man Veronika kurz vor dem Turnier fragte, was denn ihr Ziel für die DEM sei, antwortete sie: “Ich will Deutsche Meisterin werden!“. Einerseits war das mit Blick auf die Setzliste, die sie nur auf Rang 7 bei etwas über hundert Punkten Abstand zur Spitze führte, ein sehr ambitioniertes Vorhaben. Anderseits nahm man ihr absolut ab, dass sie alles daran setzen würde, genau dies zu erreichen.
Zu diesem Willen kam in diesem Jahr auch das Glück zurück, dass ihr in der Vergangenheit mehrfach nicht hold war. Nach ihren zwei Auftaktsiegen kam es in Runde 3 zum ersten Spitzenduell gegen Mara Haug (Karlsruher SF). Nachdem Veronika mit einer glatten Gewinnstellung aus der Eröffnung kam, verirrte sich erst ihr schwarzer Läufer auf a2 und ging verloren, später kostete ein umgewandelter Bauer noch mehr Material und sie fand sich in einem klar verlorenen Turm-gegen-Dame-Endspiel wieder. Wie sie sich noch das letztlich verdiente Remis „ergaunerte“, war unglaublich und aus psychologischer Sicht sehenswert. In den folgenden beiden Runden konnte Vroni die Mitfavoritinnen Tamila Trunz (SG Porz) und Tatjana Moldovan (Königskinder Hohentübingen) sehr souverän bezwingen und lag damit erstmals alleine in Führung, die sie bis zum Turnierende nicht mehr abgeben sollte. Aber es waren noch einige bange Momente zu überstehen, etwa in der 5-Stunden-Partie gegen Riyanna Müller (SC Landskrone) oder beim hart erkämpften Remis gegen Laura Sophie Bauer (Bayern). Dieser halbe Punkt in der Vorschlussrunde bescherte Veronika den Titel „Deutsche Meisterin U14w“ pünktlich zu ihrem 14.Geburtstag, denn die letzte verbliebene Konkurrentin verlor und konnte somit nicht mehr aufschließen.
Lily begleitete ihren Bruder nach Willingen, wie die ganze Familie Torosyan, und war eine von nur zwei Berliner Teilnehmern beim offenen Kika-Turnier für U9-Kinder. Es war seit Längerem ihr erstes Turnier und entsprechend konnte sie gegen ihre DWZ-Gegner noch nicht mithalten bzw. punkten. Sie erspielte sich in dem zweitägigen Schnellschachturnier dennoch gute drei Punkte und konnte durch ihren Schlussrundensieg zufrieden nach Hause fahren.
Merja und Isabelle gingen in der Offenen Deutschen Jugendmeisterschaft C (bis 1400 DWZ) an den Start. Erstgenannte kann als „hauptamtliche“ Schwimmerin und Setzlisten-81ste mit ihren drei Punkten ganz zufrieden sein. Merja machte während des Turniers eine spürbare Entwicklung durch und nach anfänglichen Niederlagen steigerte sich neben dem Ehrgeiz auch ihre Aufnahmebereitschaft und Experimentierfreudigkeit immer mehr. Folgerichtig ließen die ersten halben Punkte und in Runde 4 auch der erste Sieg mit dem Killerangriff nicht lange auf sich warten. Wenn sich jetzt auch noch ihre Schwarz-Bilanz verbessert – alle Punkte holte sie mit Weiß – spielt sie im nächsten Jahr in der oberen Turnierhälfte mit.
Dagegen lief für Isabelle zumindest die erste Turnierhälfte unterirdisch. Nach einem leichten Auftaktsieg verlor sie völlig den Faden und legte bei viel zu schnellem und taktisch unsauberem Spiel gegen ihre folgenden drei Konkurrentinnen eine lange Rochade hin. Zwar verbessert sie sich in Hälfte zwei noch auf fünfzig Prozent, doch das war weit von ihrem Anspruch entfernt und bedeutete immer noch ein DWZ-Minus von über 100 Punkten.
Wesentlich besser erging es Madiha in der ODJM B. Locker vom Hocker besiegte die nur auf Platz 63 Geführte gleich in der ersten Runde in einer sehenswerten Partie Estelle Morio vom SK Landau (1776 DWZ) und war damit schon im Turnier angekommen. Nach zwei Dritteln des Turniers lag sie mit der Hälfte der möglichen Punkte im Mittelfeld. In den letzten drei Runden sammelte sie allerdings unter großer Mithilfe der Gegner nochmals zweieinhalb Punkte ein und verbessert sich damit um 40 Plätze gegenüber der Setz- und um fast 100 Punkte in der DWZ-Liste.
Jarne entschied sich bewußt für die Herausforderung im stärkeren A-Open. Dort hatte er allerdings einen schweren Stand. Gegen stärkere Gegner spielte er zu passiv und bekam kein Bein aufs Brett. Gegen Gleichstarke ließ er einfach zu viele Chancen liegen z.B. in seiner letzten Partie, in der er einen gegnerischen Eröffnungsfehler im Max-Lange-Angriff durch eigenen Fingerfehler (?) nicht ausnutzte und sogar eine Verluststellung erhielt. Vielleicht war ja auch die Aufregung wegen seiner bevorstehenden Jugendweihe, die auch Grund für seine vorzeitige Abreise schon nach der achten Runde war, zu groß. Das nächste Turnier wird sicher wieder besser – in der BMM-Schlussrunde hat Jarne schon wieder gezeigt, was er wirklich draufhat.
Als DEM-U18-Gerademacher wurde er leider nicht gebraucht, somit spielte auch Phuc im offenen A-Turnier mit. Gleich in Runde 1 „schaffte“ er es an Brett 1 und durfte gegen den klaren Titelfavoriten und späteren Deutschen Meister IM Yevhenii Yelisieiev (DWZ 2425) ran, dem er sogar ein wenig auf der Nase rumtanzen konnte, am Ende aber doch den Vortritt lassen musste. Im Verlauf des Turniers operierte Phuc immer um die 50%-Marke herum. Für mehr müsste er solidere Eröffnungen spielen, die er durchaus auch beherrscht. Schlussendlich verbessert er sich mit 4,5 aus 9 um einen Platz, lässt aber ein paar DWZ-Pünktchen liegen.
Die DEM war wieder einmal für alle unsere Teilnehmer ein tolles, unvergessliches Erlebnis mit einem riesigen Rahmenprogramm der DSJ aus Blitz, Tandem, Simultan, Familienmeisterschaft, Sport und Spiel u.v.m. Jede/r, die/der die Gelegenheit hat mal ins Sauerland zur DEM oder ODJM zu fahren, sollte diese Chance unbedingt nutzen. Besonders auch der starke, vereinsübergreifende Zusammenhalt in der Berliner Delegation ist sehr positiv hervorzuheben. In diesem Sinne gratulieren wir auch dem zweiten Deutschen Meister aus Berlin Harvard Haug (Borussia / U14) recht herzlich.
Fotos: Deutscher Schachbund (Paul Meyer-Dunker)
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