Alljährlich findet über Pfingsten und der anschließenden Woche die Deutsche Jugendeinzelmeisterschaft in Willingen statt.
Das Party-Dorf im Sauerland bzw. Rothaargebirge ist seit einigen Jahren Dauer-Austragungsort des wichtigsten deutschen Jugendschach-Events und hält wie auch das Sauerland Stern Hotel, das als Unterkunft und Spielstätte fungierte, für die Teilnehmer nahezu alle denkbaren Annehmlichkeiten bereit. Highlight ist die riesige Halle, die allen fast 700 Teilnehmern Platz und mit ihrer gleichzeitig guten Akkustik und Schalldämmung die perfekte Turnieratmosphäre bietet. In den Pausen konnte der große Freizeitbereich mit Fußball, Tischtennis u.v.m. genutzt und an vielen vom Freizeitteam super organisierten Veranstaltungen teilgenommen werden. Bei Sonnenschein war die Sommerrodelbahn größter Anziehungspunkt, bei Regen (und davon gab es nicht zu knapp) das große Spaß- und Lagunenbad. Damit aber kein falscher Eindruck entsteht, viel Zeit blieb dafür bei 11 (u10/u12) bzw. 9 Runden (ältere AK) an sieben Tagen und besonders bei den damit verbundenen Doppelrunden nicht. Zwischen den Mahlzeiten und Mittagsschlaf (ja, so etwas gibt es) bzw. Bettruhe wollten auch noch die Partien besprochen, die Tabellenstände studiert und Varianten gegen den nächsten Gegner zurechtgelegt werden. Es wurde also eine sehr intensive Woche mit viel Schach-Arbeit, viel Bangen und Hoffen, aber auch viel Spaß.
TSG war in diesem Jahr erstmals mit vier Teilnehmern bei der DEM dabei und stellte damit die meisten Qualifikanten aller Berliner Vereine. Neben unseren beiden Berliner Meisterinnen Cecilia (u18w) und Pia (u10w) konnten sich, wie berichtet, auch Livius (u10) und Veronika (u10w) qualifizieren. Außerdem ging Pias fünfjähriger Bruder Konstantin beim KIKA-Turnier (bis u9) an den Start und holte dort sehr gute 4 Punkte aus 7 Partien.
Vroni mit Pia und Eltern im fast leeren Turniersaal
Unsere Älteste Cecilia (Foto: Schachjugend in Berlin) war bei der u18w in der Setzliste auf Platz 9 geführt, allerdings war der Abstand zur Spitze nicht allzu weit, lediglich die Top-Favoritin Fiona Sieber (Aufbau Elbe Magdeburg) mit über 2200 DWZ schien außer Reichweite. Und so griff Cecilia munter an und startete mit drei Siegen in Folge u.a. gegen die Ranglistenzweite Theodora Rogozenco. Leider konnte sie danach keinen Kampf mehr für sich entscheiden, musste sich aber auch der kompletten Spitzengruppe erwehren. Gegen die starke Inken Köhler (TuRA Harksheide) holte sie in Runde 4 ein Remis, hatte aber anschließend wie auch alle anderen Gegnerinnen von Fiona wenig zu bestellen. Es folgten drei weitere mehr oder weniger glückliche Unentschieden. Mit einem Sieg in der Schlußrunde wäre das Treppchen noch möglich gewesen, aber ihre Gegnerin machte Cecilia einen Strich durch die Rechnung. Mit 5 aus 9 schließt sie die DEM dennoch sehr erfolgreich auf Platz 7 und mit einem schönen DWZ-Plus ab.
Gänzlich gegensätzlich lief das u10-Turnier für Livius (Foto: Schachjugend in Berlin). Gleich in Runde 1 musste er an Brett 1
gegen den Ranglistenersten Marius Deuer (WeDa Ulm – 1876 DWZ) ran. Für Livi, der ja keine Angst kennt, war dieses Spitzenspiel, besonders weil es wie alle vorderen Bretter live im Internet übertragen wurde, ein zusätzlicher Ansporn. Leider kriegte er trotz einiger taktischer Fallen nie richtig einen Fuß aufs Brett. Als dann auch noch die zweite Runde schief lief, war mentale Aufbauarbeit angesagt. Am zweiten Tag mit der zweiten Doppelrunde lief es viel besser – er konnte unter den Augen seiner glücklichen Großeltern beide Partien gewinnen und den Anschluß zum Mittelfeld herstellen. Anschließend war es allerdings irgendwie ein Turnier der verpassten Chancen. Gegen den späteren Dritten Caius Emilian Kempe (USV Dresden) kippte das Endspiel zu Livis Gunsten, aber er übersah die gewinnbringende Zugfolge und verlor. Besonders aber die vier Remisen mit jeweils guten bis eindeutigen Gewinnchancen (siehe Schlußstellung in der Partie gegen Momme Held) verhagelten Spieler und Trainer etwas die gute Laune - Momme Held - Livius Bongardt
Doch als die Mama am vorletzten Tag der Spiele in Willingen eintraf, war aller Frust vergessen. Frisch gestärkt zog Livi in der letzten Runde nochmal alle Register seines Könnens, allerdings machte es ihm der Gegner auch nicht allzu schwer. Mit diesem Schlußrundensieg hiefte er sich zum richtigen Zeitpunkt erstmals über die 50%-Marke – für Livi hätte das Turnier noch zwei Runden weitergehen können – und auf Platz 24, womit er sich um sieben Plätze gegenüber der Startrangliste verbessert und die 1400 knackt.
Dass Pia und Vroni trotz ihrer relativ geringen DWZ, die beide knapp in der unteren Tabellenhälfte sah, gut bei u10w mithalten würden, davon war der Trainer überzeugt. Von einem solchen Turnierstart konnte man aber nur träumen – gleich in Runde 1 gewinnen Pia gegen die Ranglisten-Nr. 1 (DWZ 1486) und Veronika gegen die Nr. 3 (DWZ 1442) in zwei Super-Partien - Katarina Bräutigam - Pia-Rosa Praus / Lin Englert - Veronika Mirnaya
Auch danach läuft es sehr gut für die beiden, die mit 3 und 3,5 Punkten aus vier Runden sehr gut aus den Startlöchern kommen. Runde 6 wird für beide zu einem Knackpunkt. Während Pia nach sehr langem Kampf gegen Ela Pröttel (OSC Rheinhausen) nicht den Remisweg findet, spielt Vroni die an Nr. 5 gesetzte Michelle Trunz (Godesberger SC) schwindelig und läßt dann wenige Züge vorm Matt einzügig die Dame stehen, so daß erstmal bei beiden ein paar Tränen flossen. Das fahrige und hin-und-her-wogende Vereinsduell gegeneinander in der darauffolgenden 7. Runde endete mit einem leistungsgerechten Unentschieden. Man merkte aber beiden schon hier etwas die Müdigkeit an. Pia konnte sich nach einem kleinen Schwächeanfall in Runde 8 noch einmal zusammenreißen und gewinnt Runde 9 und 10. In der letzten Runde hat sie gegen die lange Führende Marianne Stepanjan (Wittenberge) aber keine Chance und beendet das Turnier auf einem guten Platz 14 und mit rund 90 Punkten DWZ-Zuwachs. Vroni hat in Runde 8 mächtig Glück, als ihr die Gegnerin ein ersticktes Matt mit ihren letzten beiden verbliebenen Figuren gestattet. Leider geht danach gar nichts mehr und sie verliert die letzten drei Runden. Besonders um den schon sicher geglaubten Punkt in der Schlußrunde ist es sehr schade. Somit sagt ihr 24.Platz gar nichts über ihre tolle Leistung gegen stärkste Gegnerschaft aus, die auch ihr reichlich DWZ-Punkte beschert.
Zur Frustbewältigung nahmen Vroni und der Schreiberling als "Die zwei ??" an der Willinger Familienmeisterschaft teil und viele Gegner hatten zu leiden. Nach dem sechsten Platz mit 10 Mannschafts- und 4 bzw. 6 aus 7 Einzelpunkten war der größte Ärger verraucht. Ebenfalls mit von der Partie waren die "Muskeltiere" Ulf und Konsti Kellner, die mit achtbarem Abstand zum Tabellenende über die Ziellinie kamen.
Letzter Höhepunkt einer jeden DEM ist natürlich die Siegerehrung – hier im Livestream
Für alle TSG-Teilnehmer, -Betreuer und -„Landestrainer“ wird die DEM 2018 ein unvergessliches Erlebnis bleiben. Besonders der große Zusammenhalt in der Berliner Delegation, wo jeder jedem alles Gute wünscht, war beeindruckend und auch zu den Teilnehmern aus den anderen Bundesländern sind viele neue Freundschaften entstanden. Wir kommen gerne wieder.
Alle Ergebnisse findet Ihr hier