Exweltmeister Vishy Anand hatte für jeden ein Lächeln bereit

Vom 23. bis 25.02.2024 fand in Viernheim (Südhessen, in der Nähe von Mannheim) eine zentrale Veranstaltung der ersten Bundesliga im Schach statt. Alle 16 Mannschaften waren dort vertreten, an jedem der drei Spieltage wurde eine Runde gespielt, und es kam an diesem Wochenende zu den direkten Duellen der drei an der Spitze liegenden Mannschaften aus Viernheim, Baden-Baden und Deizisau. Viele Spieler aus der absoluten Weltspitze waren angekündigt, und so machte ich mich kurz entschlossen auf die Reise, um einige der Supergroßmeister aus nächster Nähe beobachten zu können. Und es wurde tatsächlich ein sehr erlebnisreiches Wochenende.

Zuerst zum Organisatorischen: Alle 16 Mannschaften spielten in einem sehr geräumigen Turniersaal im Bürgerhaus von Viernheim. Die insgesamt 64 Bretter waren so angeordnet, daß einerseits die Spieler in deutlich abgegrenzten Bereichen an ihren Tischen saßen, die Zuschauer aber andererseits sehr nah an jedes Brett herankamen und alles aus nächster Nähe betrachten konnten. Ich fand es sehr interessant, das unterschiedliche Verhalten der Spieler während ihrer Partien zu beobachten, da gibt es Dauerläufer, die fast nie an ihrem Brett sitzen, bis hin zu Dauersitzern, die niemals aufstehen, sondern ständig in die Luft starren, auch wenn sie am Zug sind. Meistens erkennt man den jeweiligen Typus schon recht schnell an der Körperform.

Die jeweiligen Spitzenpartien des Tages wurden auf eine Videoleinwand projiziert und waren für alle Besucher gut einsehbar. Im Foyer gab es eine um 15 Minuten zeitversetzte Live-Kommentierung der wichtigen Partien.

Am Samstag kam es dann zum großen Showdown der nominell stärksten Teams. Die beiden Spitzenmannschaften boten nahezu alle Supergroßmeister auf, die in ihren Mannschaftsaufstellungen verzeichnet waren. Auf Baden-Badener Seite saßen unter anderem Anand, Rapport, Aronian, Vachier-Lagrave und natürlich Vincent Keymer am Brett, die Viernheimer hielten mit Nakamura, Abdusattorov, Duda, Mamedyarov, Maghsoodloo und Guijarro dagegen, alles Spieler mit ELO über 2700. Es wurde ein sehr spannendes Match, das die Viernheimer am Ende aber sicher mit 5:3 durch Siege von Maghsoodloo gegen Keymer an Brett 5 und Guijarro gegen Vitiugov an Brett 6 für sich entschieden. Alle anderen Partien endeten remis.

Höhepunkt des Tages war die Auseinandersetzung am Spitzenbrett zwischen Hikaru Nakamura und Viswanathan Anand. Nach zwei Stunden Spielzeit mündete die Partie in ein lehrbuchreifes Turmendspiel mit einem Mehrbauern für Nakamura, das Anand aber souverän remis hielt. Nakamura lieferte dabei eine gute Show ab, schüttelte immer wieder minutenlang den Kopf, als ob er eine Gewinnfortsetzung übersehen hätte. Anand stand mit stoischer Ruhe am Brett. Beim Nachspielen der Partie zeigte stockfish von Beginn des Endspiels an immer eine Bewertung von 0.00. Am Ende wurde noch für die Galerie weitergespielt, bis nur noch die nackten Könige auf dem Brett waren.

Damit steuern die Viernheimer direkt auf den Meistertitel zu, der Vorsprung von drei Mannschaftspunkten und das moderate Restprogramm sollten ausreichen.

In der kommenden Saison wird es sicherlich einen Dreikampf um den Titel geben, denn bei Aufsteiger Düsseldorfer SK stehen auch zahlreiche 2700er unter Vertrag, darunter die drei Teilnehmer des bevorstehenden Kandidatenturniers Gukesh, Vidit und Praggnanandhaa. Man darf gespannt sein, wie oft diese Spieler dann tatsächlich am Brett sitzen werden.

In den kommenden Tagen wird es auch interessant sein zu beobachten, wie sich die Situation um die fehlenden Visa für zahlreiche Teilnehmer der Kandidatenturniere in Toronto entwickelt.

Am Rande dieses Wochenendes besuchte ich zwei Seminare mit GM Lanka, in denen jeweils zwei entscheidende Partien des Vortages etwas genauer unter die Lupe genommen wurden Beide Male war es didaktisch sehr gut aufbereitet und für mich sehr lehrreich.

Schachlich war ich an diesem Wochenende auch aktiv, am Freitagabend nahm ich zu später Stunde an einem Blitzturnier mit insgesamt 42 Spielern teil, das bis weit nach Mitternacht andauerte. Nach 16 Runden hatte ich 9 Punkte auf dem Konto und landete in der Schlußtabelle auf Platz 13. In der Setzliste vor Beginn des Turniers stand ich auf Platz 14. Allerdings beginn ich das Turnier mit einem Schweizer Doppelgambit, in der ersten Runde spielte ich 1:1 gegen den späteren Letztplazierten, in der 2. Runde verlor ich gar 0:2 gegen einen nominell deutlich schwächeren Gegner. Am Ende hatte ich einen Verlust von 63 Blitz-ELO-Punkten zu verbuchen.

Sieger des Blitzturniers wurde erwartungsgemäß der seit einigen Jahren für Uruguay spielende GM Georg Meier.

Der Austragungsmodus war sehr interessant. Es wurden acht Doppelrunden gespielt, also immer zwei Partien mit wechselnden Farben gegen den gleichen Gegner. Das halbiert den Zeitaufwand für die Auslosung, die Spielzeit pro Runde nimmt ebenfalls tendenziell ab, und die Farbverteilung spielt überhaupt keine Rolle mehr. Ich finde das durchaus nachahmenswert.

Fazit: Ein erlebnisreiches Wochenende mit vielen Super-GMs zum Anfassen, am Ende habe ich sogar noch ein Selfie mit Vishy Anand machen können.